Barbara Keller

Inhalt

  • 19.1 Warum arbeiten wir, und was haben wir davon?
    • 19.1.1 Arbeitsmotivation
    • 19.1.2 Arbeitszufriedenheit
  • 19.2 Arbeit und Gesundheit
    • 19.2.1 Stress und Stressoren
    • 19.2.2 Mobbing
    • 19.2.3 Work-Life-Balance
  • 19.3 Veränderte Arbeitsbedingungen
    • 19.3.1 Neue Technologien: Wann sind Innovationen erfolgreich?
    • 19.3.2 Arbeitszeiten und Arbeitsplätze: Mehr Flexibilität
    • 19.3.3 Arbeitslosigkeit
  • 19.4 Psychologie in Organisationen
    • 19.4.1 Organisationsform und Organisationsstruktur
    • 19.4.2 Teams, Gruppen und Qualitätszirkel
    • 19.4.3 Führung
  • 19.5 Arbeit und Persönlichkeit: Auswahl und Auswirkungen
    • 19.5.1 Personalauswahl
    • 19.5.2 Wer kommt wann voran?
    • 19.5.3 Arbeit und Persönlichkeit
  • 19.6 Kapitelrückblick
    • 19.6.1 Verständnisfragen
    • 19.6.2 Schlüsselbegriffe
    • 19.6.3 Weiterführende deutsche Literatur

 

Zusammenfassung

 

Warum arbeiten wir, und was haben wir davon?

Welche Bedürfnisse, welche Anreize bringen Menschen zum Arbeiten? Inhaltstheorien beschreiben, welchen psychologischen Gewinn Menschen von ihrer Arbeit haben. Sie weisen auf die Bedeutung intrinsischer Motivierung durch ganzheitliche und anregende Arbeitsinhalte hin. Hygienefaktoren und Motivatoren werden gemäß der Zwei-Faktoren-Theorie nach Herzberg (1959) wirksam. Um Anreizbedingungen (nämlich Arbeitsinhalte) und um das Erleben der Person (nämlich kritische psychische Zustände) geht es im Job-Characteristics-Modell nach Hackman u. Oldham (1980).

Prozesstheorien beschreiben, welche Mechanismen von bestimmten subjektiven Erwartungen und Bewertungen zu Handlungen führen. Handlungsnahe Prozesstheorien thematisieren als dominierende Konstrukte Ziele und Selbstregulierungsmechanismen. Zu den Prozesstheorien zählen die Wert-Erwartungs-Theorien. Die bekannteste Ausarbeitung stammt von Vroom (1964) und wird auch als VIE-Modell bezeichnet. Nach dieser Theorie ist Motivation das Produkt von Erwartungen und Werten. Die subjektiven Erwartungen und Bewertungen, aus denen motiviertes Verhalten resultiert, sollen erfasst werden.

Integrative Perspektiven verbinden Inhalte und Prozesse (z. B. Motivation und zielgerichtetes Verhalten). Handlungsfern sind z. B. die in der Zukunft liegenden Ziele, handlungsnah die ständig ausgeübten Strategien der Selbstregulierung, die dazu dienen, die Ziele zu erreichen. Handlungsnah und prozessorientiert ist die Theorie der Zielsetzung von Locke u. Latham (1991). Handlungsferne und handlungsnahe Konstrukte verbinden die Theorie der Selbstregulierung nach Kuhl (1992) und das Rubikon-Modell von Heckhausen u. Gollwitzer (1990).

Arbeitszufriedenheit ist auf unterschiedliche Weise erfasst worden. Empirische Ergebnisse zur Arbeitszufriedenheit sind uneinheitlich, das Konstrukt hat sich zudem als methodenlabil erwiesen. Aussagen zur Arbeitszufriedenheit werden dann als aussagekräftig angesehen, wenn die jeweils verwendeten Bezugssysteme berücksichtigt werden.

Was ist der Hawthorne-Effekt? In den amerikanischen Hawthorne-Werken sollte zu Anfang des 20. Jahrhunderts untersucht werden, wie die Beleuchtung von Arbeitsplätzen die Arbeitsleistung beeinflusst. Unerwartet zeigten Arbeiter trotz Senkung der Beleuchtungsstärken höhere Arbeitsleistungen. Das Gefühl, dass sich die Firmenleitung um ihre Arbeitsbedingungen kümmerte, steigerte kurzfristig ihre Zufriedenheit und ihre Motivation.

 

Arbeit und Gesundheit

Arbeitsbedingte Stressfolgen: Man kann unterscheiden zwischen kurzfristigen und langfristigen Auswirkungen von Stressoren: Kurzfristige Auswirkung sind Nervosität und Gereiztheit, erhöhte Adrenalin- und Noradrenalinausschüttung, erhöhte kardiovaskuläre Aktivität, sowie verringerte Effizienz bei der Handlungsregulation. Längerfristig kann es zur Beeinträchtigung des Wohlbefindens kommen, zu psychosomatischen Beschwerden und Krankheiten, zu problematischem Gesundheitsverhalten.

Der Frage, wie Stress entsteht und wie er bewältigt wird, geht man nach, indem man untersucht, wie Verhaltensweisen von Personen und Eigenschaften von Situationen miteinander und mit dem Erleben von Stress zusammenhängen. Das Erleben und die Bewertung von Stressoren durch die einzelne Person sind wichtig. Was mit erhöhter Wahrscheinlichkeit Stress oder Stressempfindungen auslösen kann, wie beispielsweise Überforderung, Unterforderung, Lärm, Konflikte, hängt immer auch von der Bewertung durch die Betroffenen ab. Im transaktionalen Stressmodell wird thematisiert, dass Personen in der gleichen Situation unterschiedliche Sichtweisen, Bewältigungsstrategien und -kompetenzen zeigen, die auf die situativen und persönlichen Gegebenheiten zurückwirken und durch die gegenseitige Einwirkung auch verändert werden. Es geht sowohl um die objektive Arbeitssituation als auch um deren Erleben sowie um die Einschätzung der eigenen Handlungsmöglichkeiten.

Auch im Fall von Mobbing, einer besonderen Art von sozialem Stress am Arbeitsplatz, ist eine transaktionale Sichtweise angemessen. Zunächst standen Organisation der Arbeit, Aufgabengestaltung und Leitung im Zentrum, mittlerweile wird eingeräumt, dass auch Persönlichkeitseigenschaften der Mobber und der Gemobbten eine Rolle spielen können. Zur Vorbeugung kann man faire und transparente Verhaltensregeln einführen, die z.B. in Betriebsvereinbarungen festgehalten werden und die angeben, was im Fall von Konflikten zu tun ist. Den einzelnen Betroffenen wird u.a. geraten, sich gegen Angriffe abzugrenzen, Abstand zu finden, nötigenfalls durch eine Krankschreibung, und auf eine Veränderung am Arbeitsplatz hinzuwirken.

Work-Life-Balance: Ganz allgemein ist damit gemeint, dass eine gelungene Balance von Arbeit und Leben das Wohlbefinden fördert und auf diese Weise möglichem Stress vorbeugt. In vorliegenden Studien wird diese Balance auf unterschiedliche Weise untersucht. Belegt ist, dass sich ein Ungleichgewicht zugunsten der Arbeit negativ auswirkt.

 

Veränderte Arbeitsbedingungen

Bei der Einführung technischer und organisatorischer Neuerungen sollten die Lern- und Umstellungskompetenzen der Betroffenen nicht überfordert werden. Es wird daher empfohlen, Änderungen vorzubereiten und Zeit für Umstellungsprozesse einzuplanen. Dabei ist zu beachten, dass unterschiedliche Gruppen innerhalb einer betroffenen Organisation die Neuerungen unterschiedlich beurteilen.

Die Einführung flexibler Arbeitszeiten kann in zweifacher Hinsicht förderlich sein. Es kann den Unternehmen zur besseren Nutzung ihrer Anlagen verhelfen, und die Beschäftigten können ihre Zeit besser einteilen. Aus Untersuchungen weiß man, dass mit zunehmender Autonomie zur Arbeitszeitgestaltung psychischer Stress abnimmt und die Arbeitszufriedenheit steigt.

Arbeitslosigkeit hat psychische und soziale Folgen für die Betroffenen und auch für deren Angehörige. Obgleich die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit kontrovers diskutiert werden, besteht Konsens darüber, dass sie bei den meisten Menschen zu einer Verschlechterung ihrer seelischen Gesundheit führen. In der klassischen Studie von Jahoda aus dem Jahr 1931 »Die Arbeitslosen von Marienthal« zeigte sich ein Zusammenhang zwischen den 4 Haltungstypen des Umgangs mit Arbeitslosigkeit (ungebrochene, resignierte, verzweifelte und apathische Familien) und der Höhe der Unterstützung, die in den Familien zur Verfügung stand.

Der Wandel vom Defizit- zum Kompensationsmodell des Alterns und seine Bedeutung für ältere Arbeitnehmer: Ältere Arbeitnehmer sind nicht weniger leistungsfähig, sondern sie zeigen ein anderes Leistungsprofil. Während die Auffassungsgeschwindigkeit und die Reaktionszeit mit dem Alter sinken, steigen beispielsweise handwerkliches Können und Erfahrungswissen.

 

Psychologie in Organisationen

Eine Organisation ist ein gegenüber ihrer Umwelt offenes System, das zeitlich überdauernd existiert, spezifische Ziele verfolgt und sich aus Individuen bzw. Gruppen zusammensetzt. Die Gesamtheit aller formalen Regelungen zur Arbeitsteilung sowie zur Koordination von Leistung und Verhalten der Organisationsmitglieder bildet die formale Organisationsstruktur. Bei den Organisationsformen unterscheidet man Einlinien- und Mehrliniensysteme. Beim Einliniensystem empfängt eine untergeordnete Stelle nur von einer übergeordneten Stelle Weisungen und ist nur dieser verantwortlich. Beim Mehrliniensystem gibt es ein doppeltes Unterstellungsverhältnis nach Funktion und Sparte. Im Mehrliniensystem sind die Informations- und Abstimmungswege kürzer, Konflikte können häufiger auftreten, was als positiv im Sinne einer vertieften inhaltlichen Auseinandersetzung gewertet wird. Als Nachteil gilt die fehlende Gesamtverantwortung.

Teamarbeit gilt insbesondere dann als sinnvoll, wenn es um eine komplexe Aufgabe geht, die in mehreren Schritten zu bearbeiten ist und die mit unstrukturierten Problemen behaftet ist oder mehrere Fachbereiche berührt. Bei Teamarbeit können verschiedene Arten von Teamarbeitspotenzialen genutzt werden:

  • das Problemlösungspotenzial, das vor allem auf einer breiteren Erfahrungs-, Informations- und Wissensbasis beruht;
  • das arbeitsorganisatorische Potenzial, das über eine Stärkung eigener Verantwortlichkeit den Verwaltungsaufwand reduziert;
  • das Komplexitätsreduktionspotenzial, das vor allem durch eine breitere Urteilsgrundlage und kürzere Kommunikationswege das Erreichen angestrebter Ziele fördert.

 

Damit Teamarbeit gelingt, sind auch die Gefahren von Teamarbeit wie Risikoschub und Gruppendenken zu beachten. Qualitätszirkel sind kleine Gesprächsgruppen, die der Steigerung der Produktqualität und Produktivität dienen sollen.

Korrelationen zwischen Eigenschaften von Führenden und Führungserfolg erwiesen sich als gering, sagen außerdem nichts über die Richtung der Kausalität. Für Führungsverhalten in Gruppen konnte weder die optimale Persönlichkeit noch das optimale Verhalten ermittelt werden; vielmehr muss auch die konkrete Umgebung in die Überlegungen einbezogen werden. Eine Methode der Rückmeldung, die dies berücksichtigt, ist das 360°-Feedback, bei dem Beurteilungen aus unterschiedlichen Perspektiven zusammengeführt werden. Mit Führungserfolg verbundene Eigenschaften müssen außerdem längerfristig im Zusammenhang mit der Dynamik der Situation und mit weiteren Persönlichkeitsmerkmalen gesehen werden.

 

Arbeit und Persönlichkeit: Auswahl und Auswirkungen

Psychologische Berufseignungsdiagnostik ist wichtig für Berufsberatung und Personalauswahl. Auswahlverfahren sind Vorstellungsgespräche oder Einstellungsinterviews, Personalfragebogen, biographische Fragebogen, psychologische Tests, computergestützte Tests und computergestützte Simulationen, Arbeitsproben mit Bezug zum Arbeitsfeld sowie das Assessment Center. Bei der Auswahl eines Verfahrens sind neben Validitätskoeffizienten, Akzeptanz und Aufwand zu berücksichtigen.

Während neben der dokumentierten Leistung eigene Ambitionen und Berufswünsche durchaus Einfluss auf die spätere berufliche Laufbahn haben, verstärkt, wie Kohortenvergleiche zeigen, ein engerer Arbeitsmarkt die Bedeutung schulischer Qualifikationen und der sozialen Herkunft. Auch das Geschlecht spielt eine Rolle: Frauen sind immer noch vergleichsweise selten in Führungspositionen zu finden, sei es in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik oder Verwaltung. Veränderte Eigenschaftszuschreibungen von Frauen, veränderte Konzeptionen von Führung erlauben vorsichtig optimistische Prognosen.

Vorliegende Studien zeigen, dass geistige Beanspruchung und selbstständiges Planen und Mitgestalten von Bedeutung sind. Höherwertige Arbeit verschaffte Menschen nicht nur mehr Kenntnisse über ihre Arbeitsaufgabe, sondern regte zu strategischen und planenden Vorgehensweisen an. Die Veränderung der Arbeitstätigkeit wirkte sich sowohl auf die Entwicklung arbeitsbezogener Sachinteressen aus, als auch auf gesellschaftsbezogene und politische Interessen.